Die Landung

23.09.2010

Die Ankunft in Harare war unsanft und wenig magenfreundlich. Das Flugzeug kreiste über der Stadt und wartete auf die Landeerlaubnis. Mathew, 38 Jahre alt, Oberlippenbart, kurze, stoppelige Haare, hielt es kaum noch auf seinem Sitz. Er strahlte über das ganze Gesicht, seine Augen leuchteten. „Für mich gibt es nichts Schöneres, als nach Hause zu kommen“, sagte er. „Harare ist der beste Platz auf der Welt“. Wie ein kleiner Junge rutschte er unruhig auf seinem Sitz hin und her, um aus dem Fenster zu schauen und einen Blick auf seine Heimatstadt unter uns zu erhaschen.

Mathew kam gerade aus China, er war für eine Woche dort gewesen, zwecks „Business“, wie er mir zuvor erzählt hatte. Er hatte Kleidung und Schuhe gekauft, die er in Harare gewinnbringend unter die Leute bringen wollte. Seit einem Jahr war er Single und auf der Suche nach einer Frau. Einer anständigen Frau, wie er sagte. Die schien er seiner Meinung nach in mir wohl gefunden zu haben. Immer wieder fing er ein Gespräch mit mir an. Anfangs fand ich es noch interessant, was er mir von seiner Heimat Harare zu erzählen hatte. Er erzählte mir von den Victoria Falls, von dem traditionellen Essen, genannt Sadza, einer Art Maisbrei. Einmal davon gegessen, bist du tagelang satt. Immer wieder kam er auf Harare zurück und wie schön es dort doch sei. Das glaubte ich ihm gerne. Das Thema Frauen versetzte mich dagegen weniger in Plauderstimmung.

Das Flugzeug zog seine Kreise und verlor dabei immer mehr an Höhe. Mein Magen rebellierte. Kinder im ganzen Flugzeug kreischten. Nicht vor Angst, nein, die Kinder hatten mächtig Spaß an den Aufwinden, die dem Flugzeug immer wieder einen unangenehmen Schub versetzten. Ich konnte es nicht fassen: Da saß ich in einem Flugzeug, das offensichtlich Probleme bei der Landung hatte, und die Kinder um mich herum lachten und kreischten vor lauter Freude. Hätte man mich im Alter von sechs oder acht Jahren in ein solches Flugzeug gesetzt, ich wäre wohl vor Angst in Tränen ausgebrochen oder hätte mich kräftig übergeben.

Harare sei eine ganz tolle Stadt, viele Sehenswürdigkeiten, tolle Clubs, man könne dort richtig viel Spaß haben – vorausgesetzt, man sei mit den richtigen Leuten zusammen, riss Mathew mich aus meinen Gedanken. Wie zum Beweis hielt er mir einen Zettel mit seinem Namen und seiner Email-Adresse unter die Nase. Ich nahm den Zettel, bedankte mich höflich. Ich solle mich unbedingt bei ihm melden, verlangte er. Natürlich wollte er auch meine Adresse haben. Ich nahm den Zettel und schrieb meinen Namen darauf. Lügen konnte ich nicht, er wusste bereits, wie ich hieß. Also schrieb ich meinen Namen auf den Zettel, dachte mir aber eine falsche Email-Adresse aus. Mathew freute sich unglaublich und verstaute den Zettel sicher in seinem Portemonnaie. Er würde mir die besten Orte der Stadt zeigen und mich mit den traditionellen Gepflogenheiten des Landes vertraut machen. Es würde mir sicher gefallen und vielleicht könnte ich ja auch eine hübsche Freundin mitbringen. Ich nickte nur und schaute wieder aus dem Fenster. Irgendwie tat er mir Leid. Er hatte sich den ganzen Flug über nett, höflich, aber niemals aufdringlich verhalten. Er machte einen ordentlichen Eindruck, aber ich wollte lieber kein Risiko eingehen, es war mein erster Tag, mein erstes Mal in Afrika.

Als ich schließlich völlig übermüdet mit meinen beiden Koffern (ja, ich hatte Übergepäck *g*) in die Flughafenhalle trat, war Thomas (mein Bekannter) schon da. „Bella“, schrie er laut, grinste über das ganze Gesicht und nahm mich fest in die Arme. Neben ihm stand ein großer, breiter, schwarzer Mann. Er trug Fußballkleidung, hatte freundlich, tiefbraune Augen und einen kräftigen Händedruck. „Hallo Bella, ich bin Nelson“, sagte er, „Schön, dich kennen zu lernen.“ Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Dass er mich „Bella“ nannte (ein Running-Gag aus der Schulzeit, der irgendwie an mir kleben geblieben ist), fand ich irgendwie witzig. Doch er bestand darauf, mich so zu nennen. „Wenn Thomas dich so nennt, nenne ich dich auch so“, sagte er.